Lignin-Verwertung – noch hölzern,
aber nicht auf dem Holzweg!

 

Holz ist ein nachwachsendes Material, das schon lange nicht mehr nur als Werkstoff, sondern auch als vielseitiger Rohstoff verwendet wird. In Holz, oder genauer in verholzten Pflanzenteilen, verstärkt die strukturgebende Lignocellulose (lateinisch lignum = „Holz“ oder „Baum“) die Zellwand. Dieser komplexe Baustoff gilt als das am häufigsten vorkommende terrestrische Pflanzenmaterial und setzt sich wiederum zusammen aus drei unterschiedlichen Biopolymeren: Zellulose und Hemizellulose bilden ein Gerüst, in das beim Vorgang der Verholzung (Lignifizierung) nachträglich Lignin als eine Art Kitt eingelagert wird.

Abfallstoff mit Potenzial

Holzaufschlussverfahren werden in der Regel für die Erzeugung von hochwertiger Zellulose (40-50 % des Holzes) entwickelt und optimiert. Lignin, das etwa 18-35 % des Holzes ausmacht und das in der Zellstoffindustrie weltweit mit jährlich rund 50 Millionen Tonnen anfällt, wird bisher hauptsächlich vor Ort verbrannt, um Energie für den Aufschlussprozess zu erzeugen. Aufgrund der verbesserten Energieausbeute der Zellstofffabriken fällt jedoch immer mehr Überschuss an (technischem) Lignin an – ein in dem Fall leicht verfügbarer nachwachsender Rohstoff, der keine Konkurrenz zur Lebens- und Futtermittelproduktion darstellt und ein breites Produktportfolio abbilden kann.

Interdisziplinäre Lösungen für das Aufschließen der hochkomplexen Strukturen

Lignin ist ein komplexes und wasserunlösliches kohlenstoffreiches Biopolymer mit hohem Anteil aromatischer Verbindungen. Letztere Eigenschaft macht Lignin zur wichtigsten existierenden biobasierten Ressource für die direkte Herstellung von aromatenbasierten Spezial- und Feinchemikalien wie synthetisches Vanillin. Auch als bioabbaubare Kunststofffaser oder sogar als Basis für Carbonfasern lässt sich das Material nutzen. Es ist also nicht verwunderlich, dass rund um den biobasierten Rohstoff aktuell hochinnovative Startups entstehen und die Publikationen zum Thema Ligninverwertung in den letzten 20 Jahren in die Höhe geschossen sind (1999: 200 Publikationen, 2019: 1.600 Publikationen). Dennoch befindet sich die Kommerzialisierung von Lignin in den meisten Fällen noch in der Entwicklung. Die Schwierigkeit bei der Verarbeitung liegt vor allem an dem hohen dreidimensionalen Vernetzungsgrad der Monomere: Die Phenylpropan-Derivate p-Cumarylalkohol, Coniferylalkohol und Sinapylalkohol sind je nach Holzart unterschiedlich häufig vertreten und in vielfältiger Form über Ether- und CC-Bindungen miteinander verknüpft. Für die Auftrennung braucht es entsprechend große Mengen Energie, die üblicherweise in Form von hohem Druck und hohen Temperaturen zugeführt wird. Hier wird bereits mit ganz unterschiedlichen Ansätzen an innovativen Verfahren gearbeitet, um mit weniger Aufwand unter Verwendung von chemischen und biologischen Katalysatoren an die begehrten Rohstoffe zu gelangen – dies erfordert jedoch eine genaue Abstimmung von ineinandergreifenden Prozessschritten und Verfahren und somit die Zusammenarbeit verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen.

Lignin als Basis für Energiespeicher von morgen?

Einen spannenden interdisziplinären Ansatz verfolgt das Forschungsprojekt FOREST mit verschiedenen Projektpartnern aus Wissenschaft, Forschung und Industrie: Sie untersuchen die Nutzbarkeit von Lignin-Fragmentierungsprodukten als Basischemikalien für den Einsatz in Batteriezellen. „Der Bedarf an Speicherungsformen für erneuerbare Energie ist enorm“, berichtet Sebastian Krug, Projektmanager bei der CMBlu Energy AG. „Früher oder später wird dies auf Basis von fossilen Rohstoffen oder seltenen Erden nicht mehr darstellbar sein. Deshalb müssen hier Alternativen ausfindig gemacht werden.“

CMBlu entwickelt Redox-Flow-Batterien auf Basis organischer Elektrolyte, die im großtechnischen Maßstab Energie aus erneuerbaren Energiequellen speichern können. Die Entwicklungen werden mit Hochdruck vorangetrieben, Ende des kommenden Jahres soll die Marktreife erreicht werden. Die Technologie nutzt derzeit noch organische Elektrolyte, die aus fossilen Quellen gewonnen werden. Parallel forscht das Unternehmen seit 2017 gemeinsam mit den Projektpartnern Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Justus-Liebig-Universität Gießen, MANN + HUMMEL GmbH sowie Technische Hochschule Mittelhessen daran, die Ausgangsstoffe für die Herstellung der Elektrolyte aus nachwachsenden Rohstoffen – nämlich aus Spaltprodukten des Lignins – zu gewinnen. „Zunächst einmal können wir festhalten: Was wir uns vorgenommen hatten, funktioniert: Lignin eignet sich als Ausgangsstoff für die Elektrolyte, die wir einsetzen“, berichtet Krug. „Jetzt gilt es jedoch, die Ausbeuten zu erhöhen.“

Bisher haben die Entwicklungsteams an den Hochschulen verschiedene Bedingungen sowie Katalysatoren untersucht, mit deren Hilfe die Spaltung des Lignins in Monomere unter verhältnismäßig milden Bedingungen erfolgen kann. Lignin ist ein extrem stabiles Material, das sich üblicherweise nur bei hohem Druck und hohen Temperaturen in kleinere Bestandteile zerlegen lässt. Bei der Ligninfragmentierung entstehende Spaltprodukte – hierbei können z.B. 4-Hydroxybenzaldehyde wie Vanillin oder Syringaldehyd anfallen – werden anschließend  zu redoxaktiven Substanzen wie z.B. 1,4-Chinon-Derivaten umgesetzt, die die Basis für die gewünschten Elektrolyte bilden. Mit dem im FOREST-Projekt entwickelten Verfahren gibt es nun ein System, das grundsätzlich funktioniert, es wird aber natürlich an dessen Verbesserung und Skalierung geforscht. Bis ein marktfähiger Prozess erreicht ist, der einer Zellstofffabrik oder einer Bioraffinerie einen wirtschaftlichen Verwertungsprozess für Lignin ermöglicht, sei es jedoch noch ein langer Weg.

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