Was ist eigentlich… Kieselgel?

 

Sicher habt Ihr auch schon einmal ein paar neue Schuhe ausgepackt und ein kleines Papiertütchen darin gefunden? Und habt Ihr dann auch aus Neugier das Tütchen geöffnet und eine ganze Menge – wie es scheint – „Plastikkügelchen“ darin entdeckt? Dann kennt Ihr bereits Kieselgel, um das es in diesem Beitrag gehen soll. Aber was ist das eigentlich? Warum liegt es Schuhen, Elektrogeräten und auch manchen Lebensmitteln bei? Und ist es etwa gesundheitsschädlich, wie manchmal zu hören ist?

Definition und chemische Eigenschaften

Kieselgel wird auch Kieselsäuregel oder Silikagel genannt. Es ist farbloses, amorphes Siliciumdioxid. Der Begriff „amorph“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „ohne Gestalt“. In der Chemie bezeichnet amorphes Material einen Stoff, bei dem die Atome keine geordneten Strukturen, wie zum Beispiel in einem Kristall, sondern ein unregelmäßiges Muster ausbilden. Sie verfügen nur über eine Nahordnung, nicht aber über eine Fernordnung. Kieselgel hat eine gelartige, gummiartige bis feste Konsistenz. Es besitzt eine große innere Oberfläche (ca. 600 m²/g), durch die es viel Wasser absorbieren kann. Es ist somit stark hygroskopisch und eignet sich als Geliermittel, Filter-, Adsorptionsmaterial und Trockenmittel. Aus diesem Grund liegt es auch vielen Waren bei, die feuchtigkeitsempfindlich sind. Beispielsweise finden sich mit Kieselgel befüllte Antikondensationsbeutel in den Verpackungen von elektronischen Geräten, Lederwaren (wie den oben genannten Schuhen) und auch von Lebensmitteln, wie Nori-Algen. Aber selbst der Aufnahmefähigkeit eines Kieselgels sind Grenzen gesetzt: In der Regel können etwa 20 % bis 33 % des eigenen Gewichts an Wasser absorbiert werden. Nur das spezielle großporige Kieselgel schafft bis zu 66 %.

Chemische Grundlagen

Kieselgel ist ein kolloidales Siliciumdioxid mit der Summenformel SiO2. Es handelt sich um einen weißen, geruchlosen, hygroskopischen, nicht brennbaren Feststoff. Seine molare Masse beträgt 60,08 g·mol−1. Sein Aggregatszustand ist fest und es ist praktisch unlöslich in Wasser. Der Schmelzpunkt von Kieselgel liegt bei 1710 °C, der Siedepunkt bei 2230 °C. Die Dichte beträgt 2,2 g/cm³ bei einer Temperatur von 25 °C.

Um die Aufnahme von Wasser optisch erkennen zu können, wird dem Kieselgel manchmal ein Farbstoff beigemischt, der bei Wasseraufnahme seine Farbe ändert. Kieselgel, das in trockenem Zustand blau ist (Blaugel), ist mit Cobalt(II)chlorid (CoCl2) versetzt. Wenn das Kieselgel Wasser aufnimmt, entsteht der Hexaaqua-Komplex [Co(H2O)6]Cl2, der eine blassrosa Farbe hat. Durch Erhitzen kann das Kieselgel regeneriert werden. Weil Cobalt(II)chlorid seit dem Jahr 2000 als krebserregend eingestuft wird, wird Blaugel in Europa kaum noch verwendet.

Geschichte

Kieselgel wurde bereits 1640 entdeckt, bliebt aber lange Zeit eine Kuriosität, da keine Verwendungsmöglichkeit bekannt war. Zu einem breiteren Einsatz kam es erst nach seiner Patentierung im Jahr 1919. Der Chemiker Walter A. Patrick von der Johns Hopkins University, Baltimore, USA, hatte im Rahmen seiner Doktorarbeit eine schnelle und billige Methode zur Herstellung von Kieselgel entwickelt. Aufgrund seiner herausragenden Eigenschaften als Adsorptionsmittel wurde es bereits während des Ersten Weltkriegs zur Bindung von Dämpfen und Gasen eingesetzt. In der Folge entwickelte Patrick die Substanz über viele Jahre weiter, bis sie ein kommerzieller Erfolg wurde und vielfältige Einsatzmöglichkeiten, wie wir sie heute kennen, fand.

Verwendung

Heute wird Kieselgel in erster Linie als Trockenmittel eingesetzt. Wie bereits oben beschrieben, liegen mit Kieselgel gefüllte, kleine Papiertütchen oder Kissen vielen feuchtigkeitsempfindlichen Warensendungen bei. Auch in feuchtigkeitsempfindlichen elektronischen Geräten sind Antikondensationsbeutel zu finden. Beispielsweise werden sie in der Unterwasserfotografie genutzt, um das Innere der Kamera trockenzuhalten

Auch in Exsikkatoren (chemische Laborgeräten zur Trocknung fester chemischer Stoffe) oder beim Trocknen von Saatgut kommt Kieselgel zum Einsatz. Selbst als hocheffizientes Katzenstreu wird es eingesetzt, da es länger verwendet werden kann und die Einzelpackungen ein geringeres Gewicht haben.

Eine weitere Einsatzmöglichkeit findet sich in Alkoholtests. Dabei dient das Kieselgel als Trägersubstanz, auf der die chemische Reaktion abläuft. In dieser Redoxreaktion werden orangefarbene Chrom(VI)-Verbindungen durch den Alkohol zu grünen Crom(III)-Verbindungen reduziert. Anhand der Stärke und Ausdehnung der Verfärbung lässt sich der Grad der Alkoholisierung abschätzen.

Da Kieselgel bei der Aufnahme von Wasser Wärme abgibt und bei der Trocknung Wärme aufnimmt, wird es außerdem als thermischer Wärmespeicher verwendet. Der Prozess kann beliebig oft wiederholt werden und macht Kieselgel zu einer chemischen Wärmepumpe.

Weitere Verwendungsmöglichkeiten finden sich in der Wissenschaft, bspw. in der Chromatographie, der Dichtegradientenzentrifugation und in der Biologie als Geliermittel für Nährböden.

Schädlichkeit

Aber ist Kieselgel nun giftig? Die Antikondensationsbeutel tragen meist die Aufschrift „Do not eat“, manchmal ergänzt um ein „Throw away“. Trotzdem ist Kieselgel an sich nicht gesundheitsgefährdend, wenn es nicht (siehe oben) mit Cobalt(II)-chlorid eingefärbt wurde.

Ein Tipp zum Schluss

Wenn Euch nun das nächste Mal Beutelchen mit Kieselgel in die Hand fallen, werft sie nicht gleich weg. Sie eignen sich immer noch hervorragend, um beispielsweise feuchte Lederschuhe zu trocknen. In Sporttaschen sorgt Kieselgel dafür, dass die verschwitze Kleidung schneller trocknet und die Tasche den Schweiß und damit auch den Geruch erst gar nicht annehmen kann. Und selbst bei einem feucht gewordenen Smartphone leistet eine Dose mit Kieselgel-Beutelchen bessere Dienste als der häufig empfohlene Reis.

Autorin: Maren Mielck, GDCh


In der Reihe „Was ist eigentlich…“ stellen wir in leicht verständlicher Form chemische Substanzen vor, die jeder kennt oder fast jeder benutzt. Alle Beiträge der Reihe: https://faszinationchemie.de/chemie-ueberall


 

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