Aus Liebe zum Wasser - Professor schwimmt gegen den Strom

 

Stellen Sie sich vor, Sie müssten Elbe, Donau, Rhein und den Tennessee River durchschwimmen – aber nicht von einem Ufer zum anderen, sondern entlang des Stroms. Klingt ein bisschen verrückt? Genau das tut Andreas Fath, um über Gewässerverschmutzung aufzuklären.

Der schwimmende Professor

Nicht nur aus sportlichen Motiven, sondern auch, um eine wissenschaftliche Botschaft zu vermitteln, durchschwimmt Andreas Fath Flüsse von der Quelle bis zur Mündung. So klärt der Professor für Chemie an der Hochschule Furtwangen im Schwarzwald quasi im Vorbeischwimmen über Gewässerverschmutzung auf, die durch Mikroplastik und andere Schadstoffe entsteht, und setzt sich für sauberes Wasser ein.

Sein Motto: Sports meets Science and Education. Für Fath bedeutet innovativ sein, „neue Pfade zu betreten, die noch keiner gegangen ist. Und das Extremschwimmen kombiniert mit Chemie ist schon einzigartig in der Forschung.“ 

Fath ist Industriechemiker, Wissenschaftler, Extremsportler, Abenteurer, Wissensvermittler, Buchautor, Aufklärer, Aktivist, Erfinder und Botschafter. Als schwimmender Professor hat er sich über die Chemie-Community hinaus international einen Namen gemacht.

Nicht nur in den Medien begeistert er für das Thema Gewässerschutz. Über seine Forschung zu informieren und seine Erkenntnisse mit allen zu teilen, liegt dem mittlerweile 60-Jährigen sehr am Herzen. Ob er in Flüssen schwimmt, Vorträge hält, Filme zu seinen Projekten präsentiert oder Schulklassen die verschiedenen Lernmodule und Experimente seiner Wissenswerkstatt ausprobieren lässt: Immer geht es darum, für Wasserschutz zu sensibilisieren. Für sein Engagement wurde Fath Anfang Mai 2025 mit dem Landesverdienstorden von Baden-Württemberg geehrt. 

Wissenschaftskommunikation mal anders

Im Sommer 2024 durchschwamm Fath die Elbe von der Quelle im tschechischen Riesengebirge bis zur Mündung in Cuxhaven (Abb. 2). Bei diesem Projekt, PureElbe, arbeitete Faths gemeinnützige Firma H2Org mit dem Bündnis plastikfreie Natur zusammen. Es ging darum, Spurenstoffe im Wasser zu untersuchen: Röntgenkontrastmittel, Blutdrucksenker, Antibiotika, per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) oder Süßstoffe aus Light-Getränken. 

Zwei Studierende der Hochschule Furtwangen begleiteten die Reise, entnahmen regelmäßig Wasserproben und werteten diese teilweise bereits unterwegs mit transportablen Spektrometern aus. Eine Filtermembran, die am Neoprenanzug von Andreas Fath befestigt ist und Fischhaut imitiert, lieferte zusätzliche Erkenntnisse über Verunreinigungen an verschiedenen Stellen der Elbe (Abb. 2).

Mit seinem Team beobachtete Fath, „dass die Konzentration der Schadstoffe aus den Nebenflüssen der Elbe, etwa der Saale oder Bilina, teilweise um bis zu 50-mal höher ist als in der Elbe selbst. Dort gibt es einen Verdünnungseffekt.“ Die höchste Belastung gab es in der Bilina in Nordböhmen. Die Konzentrationen einiger PFAS in einem Liter Wasser lagen im Mikrogrammbereich – 47-mal höher als im Hauptfluss.

Wissen praxisnah vermitteln

Fath weiß, wie er für Aufmerksamkeit sorgt. In Hamburg schwamm er beispielsweise mit der Weltmeisterin im Freiwasserschwimmen, Leonie Beck, begleitet von einem Kamerateam. Ergebnis ist ein Dokumentarfilm mit dem Titel „26 Tage – 1080 Kilometer“.

Fath legt Wert darauf, Wissen praxisnah zu vermitteln: „Wir lernen durch Begreifen. Warum wirken Flüsse zum Beispiel auf Plastik wie ein Mahlwerk, und wie lässt sich Mikroplastik im Wasser vermeiden? In unseren Werkstätten machen wir die Transformation von Makro- zu Mikroplastik erlebbar. Das ist ein wichtiger Teil unserer Wissenschaftskommunikation.“

Tausende Flusskilometer hat Fath mittlerweile durchkrault. Er schwimmt seit seiner Kindheit, war Leistungssportler in der deutschen Bundesliga. Während seiner Extrem-Projekte verbringt er bis zu acht Stunden pro Tag im Wasser. Das sieht er nicht als Belastung, sondern als Entspannung: „Ich begegne an jedem Ziel Menschen mit positiver Einstellung. Das Schönste für mich nach einem langen Schwimmtag ist immer der Moment, wenn eine Kinderschar mit strahlenden Lächeln am Ufer auf mich wartet, die vorher in der Wissenswerkstatt dabei war, und mir dann wissbegierig Löcher in den Bauch fragt. Allein dafür lohnt sich die Anstrengung."

Mehr Plastik als Fischlarven

Faths Leidenschaft begann im Jahr 2014, als er den Rhein von der Quelle bis zur Mündung durchschwamm. Hier bewies er, dass Gewässer durch Mikroplastik belastet sind. Die gemessenen Konzentrationen hingen dabei ab von Strömung, Staustufen, Turbulenzen, Wassertiefe und Schiffsverkehr. 

2017 folgte der gesamte Tennessee River, der artenreichste Fluss in Amerika. Dort ermittelte er bis dato nie dagewesene Belastungswerte von bis zu 18 000 Mikroplastikpartikeln in 1000 Litern Flusswasser und beriet die dortige Universität in Sewanee anschließend beim Aufbau eines Wissenschaftszentrums zum Thema Gewässerschutz. 

Im Sommer 2022 war die Donau dran – gar nicht so schön blau, wie der Walzerklassiker von Johann Strauss sie beschreibt: Begleitet von einem wissenschaftlichen Team an Bord eines Hausboots schwamm Fath über 2700 Kilometer bis zum Schwarzen Meer. „Ein gravierendes Problem ist auch hier Mikroplastik. Wir finden in der Donau mehr Plastikteile als Fischlarven, 2700 Partikel pro Liter. An zahlreichen Stellen ist die Donau für Schwimmer gesundheitsgefährdend verunreinigt“, erklärt Fath. Das erlebte er bei dieser Tour am eigenen Leib: „Die Donau bei Belgrad war dermaßen mit Exkrementen verdreckt, dass ich 15 Kilometer ausgelassen habe. Aber immerhin konnte ich die Stadtverantwortlichen darauf aufmerksam machen, dass sich bei der Abwasserreinigung etwas ändern muss.“

Zwar ist Belgrad immer noch die einzige Millionenstadt in Europa ohne Kläranlagen. Fath sensibilisierte aber durch seine medienwirksame Schwimmverweigerung die Bevölkerung für das Problem der lebensbedrohlichen Abwasser-Verunreinigung der Donau.

Erfahrung als Chemiker in der Industrie

Das Schwimmen verschafft Fath mehr Gehör in der Gesellschaft und bei politischen Entscheidern als nur die Chemie. Zugute kommt ihm bei seiner Mission auch sein beruflicher Werdegang. Denn Fath ist erst spät in die Akademia gewechselt: nämlich im Jahr 2011, 15 Jahre nach seiner Promotion. 

Zuvor war er in der Industrie tätig. Beim Sanitärtechnik-Konzern Hansgrohe arbeitete er in der Makrogalvanik, entwickelte elf Jahre lang neue Verfahren und ist Inhaber eines Dutzends Patente. Im Jahr 2011 erhielt er den Fraunhofer-Umsicht-Wissenschaftspreis für eine umweltfreundliche Filtertechnik. „Ich war der einzige Chemiker unter damals über 3000 Mitarbeitenden“, blickt Fath zurück. Bei Hansgrohe lernte er das Wasser lieben, und dass es als kostbarste Leihgabe der Natur an die Menschheit geschützt werden muss. Noch heute sind Fath und sein früherer Arbeitgeber eng verbunden: Er als Firmenbotschafter und die Firma als Sponsor seiner Abenteuerforschung.

Schwimmen aus Frust

Das erste Projekt, den Rhein zu durchschwimmen, war auch eine Art Frustreaktion auf zu wenige Forschungsgelder. „Für die Abwasserforschung braucht man hochwertige Analysegeräte, etwa Raman-Mikroskope für Mikroplastik, doch die sind nicht billig. Da hatte ich die Idee, meine Sport-Leidenschaft mit meiner Forschung zu kombinieren. So schnell wie durch das Schwimmen ist meine Forschungsgruppe noch nie an neue Geräte gekommen: Verschiedene Firmen stellten uns transportable Spektroskope zur Verfügung.“

Mit seiner Arbeitsgruppe betreibt Fath Mikroplastik-Forschung. „Meine Studierenden sollen besseren Umwelt- und Gewässerschutz als meine Generation betreiben und neue Techniken entwickeln, um Wasser sauber zu halten“, sagt Fath. „Unsere Gruppe untersucht die Adsorptionseigenschaften von Mikroplastik und wie sich diese durch Oberflächenfunktionalisierung optimieren lassen, damit sich Schadstoffe wie Arzneimittelrückstände, Hormone und Industrieabfälle an die Plastikpartikel anlagern. So lässt sich Mikroplastik nutzen, um Abwasser zu reinigen.“ 

Das klingt zunächst absurd, da Mikroplastik dafür bekannt ist, Giftstoffe anzureichern. Doch Fath und seine Arbeitsgruppe haben diesen Nachteil zum Vorteil gewandelt: Das ausgegründete Start-up Polymeractive wandelt Kunststoffabfälle in poröses Granulat um – ein Kunststoffadsorber, um Gase und Luft zu filtern sowie Abwasser zu reinigen.

Nächstes Projekt: die Weser

Langweilig wird es dem schwimmenden Professor auch neben seiner Forschung nicht. Er gibt ehrenamtlich Schwimmkurse und arbeitet an Büchern über Mikroplastik sowie an einem Wasser-Lehrbuch. Und beim Schwimmen steht im Jahr 2026 beispielsweise die Weser auf dem Programm.

Dr. Jörg Wetterau

Labor für Kommunikation, Linsengericht

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit den Nachrichten aus der Chemie.

Zum Projekt PureElbe
Über Andreas Fath und seine Forschung: hs-furtwangen.de/personen/profil/327-andreasfath

Titelfoto: Andreas Fath in der Donau: Um über Wasserschutz aufzuklären, durchschwamm er den Fluss im Jahr 2022 von der Quelle bis zur Mündung. Foto: Shane McMillan

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