Die grüne Sahara

 

DNA-Funde aus Höhlen und Isotopenanalysen in Tropfsteinen berichten von einer Zeit, als die Sahara keine Wüste war.

Wir kennen den Streifen von Marokko bis Ägypten als erbarmungslose Sandwüste, in der nur wenige Oasen das Überleben ermöglichen. Doch in der Jungsteinzeit war dort eine ­Savanne, in der Menschen lebten und Tiere hielten. Genomanalysen haben jetzt erste Einblicke in diese Epoche der grünen Sahara ergeben.

Ein wichtiges Fenster in die Vergangenheit der Sahara bietet die Takarkori-Höhle in der Nähe der Oasenstadt Ghat im Südwesten Libyens. Wie Sedimentschichten auf dem Boden der Höhle belegen, lebten dort vor etwa 10 170 bis 4650 Jahren Menschen. Die Höhle enthält etliche Reste von Körben und Textilien sowie Tonscherben, an denen Überbleibsel zubereiteter Pflanzen haften.

Genomanalysen

Tief im Inneren der Höhle befindet sich ein Gräberfeld, wo mindestens 15 Frauen und Kinder bestattet wurden. Aus den mumifizierten Leichen zweier Frauen, die vor etwa 7000 Jahren beigesetzt wurden, ließ sich DNA isolieren. Die Proben sind zu stark verunreinigt, um das gesamte Genom zu sequenzieren. Aber die Arbeitsgruppe von Johannes Krause am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie (EVA) in Leipzig hat eine genomweite Analyse vorgenommen und damit die Herkunft dieser Höhlen-Bewohnerinnen geklärt:1) Dazu untersuchten sie die SNPs (single nucleotide polymorphisms), also die Buchstaben im Genom, durch die sich Individuen einer Bevölkerung unterscheiden. Da die extremen Temperaturwechsel in der Sahara für die Erhaltung von DNA sehr ungünstig sind, handelt es sich hier um die ersten genomweiten Daten alter DNA aus der Sahara überhaupt. Die Frauen lebten in der Epoche der pastoralen Viehwirtschaft in dieser Gegend (vor 8300 – 4200 Jahren), also vermutlich als Teil einer Hirtengruppe. 

Den Ergebnissen zufolge hatte diese Bevölkerung kaum Kontakte mit den jungsteinzeitlichen, auch Ackerbau betreibenden Gruppen, die sich zu jener Zeit aus dem Nahen Osten nach Europa ausbreiteten. Die Takarkori-Frauen-DNA zeigt eine Abstammungslinie, die sich von den Afrikaner:innen südlich der Sahara etwa zu derselben Zeit abspaltete, als auch die Vorfahren aller heutigen Nicht-Afrikaner:innen ihre Out-of-Africa-Migration begannen – also vor mindestens 50 000 Jahren. 

Dass sie seitdem nur geringstfügigen genetischen Kontakt mit der nach Eurasien expandierenden Bevölkerung hatten, erkannten die Leipziger Forscher:innen an dem Gehalt der Neandertaler-SNPs. Wie frühere Arbeiten von Krause, Svante Pääbo und anderen gezeigt hatten, vermischten sich die zukünftigen Eurasier bei der Auswanderung aus Afrika mit den bereits früher ausgewanderten Neandertalern. Deshalb tragen heute alle Menschen, die keine neuzeitlichen afrikanischen Vorfahren haben, etwa 2 Prozent Neandertaler-SNPs im Genom.2)

Verwandtschaftsverhältnisse

Bei den Takarkori-Frauen betrug der Neandertaler-Anteil nur 0,15 Prozent, also über zehnmal weniger als etwa bei jungsteinzeitlichen Menschen aus dem Nahen Osten, allerdings noch etwas mehr als bei den afrikanischen Völkern südlich der Sahara. Dieser winzige Beitrag an Neandertaler-DNA stammt aus einer Vermischung, die so weit in der Vergangenheit liegt, dass die Forschenden sie nicht genauer identifizieren konnten. 

Die nächsten Verwandten dieser Frauen unter bekannten DNA-Funden stammen von Jägern und Sammlern aus der Taforalt-Höhle in Marokko. Deren Genome, im Licht der neuen Daten aus Libyen betrachtet, sind eine Mischung aus 40 Prozent Takarkori-DNA und 60 Prozent DNA aus dem Nahen Osten. 

Aus der genetischen Isolation der Takarkori-Frauen schließen die Forscher:innen: Die Lebensweise des Pastoralismus muss durch kulturelle Weitergabe in die Sahara gelangt sein und nicht durch Migration. Trotz des milderen Klimas scheint die Gegend eine geografische Barriere zwischen dem Mittelmeerraum und dem mittleren Afrika gebildet zu haben.

Fische in der Sahara

In früheren Studien der Takarkori-Höhle hatten Wim van Neer vom Königlich-Belgischen Institut für Naturwissenschaften in Brüssel und Savino di Lernia von der Sapienza-Universität in Rom bereits einen Einblick gegeben, welche Tiere in der Höhle auf dem Speiseplan standen. Von mehr als 17 500 Überresten von Tieren wurden knapp 80 Prozent Fischen zugeordnet, 19 Prozent Säugetieren, 1,1 Prozent Vögeln und 0,2 Prozent Reptilien.3)

Die zeitliche Einordnung der Bodenschichten ermöglichte es den Autor:innen, langfristige Veränderungen zu entdecken. So nahm der Anteil der Fische gegen Ende der grünen Epoche der Sahara ab, da der Landstrich langsam austrocknete. Unter den Fischen hielten sich die Kiemensackwelse (Familie Clariidae) länger, die Luft atmen sowie in warmen und sauerstoffarmen Gewässern besser überleben können. Auch die Größe der Fische scheint die graduelle Austrocknung zu reflektieren.

Überreste von Säugetieren hingegen gibt es im Lauf der Zeit immer mehr, insbesondere auch die von domestizierten Schafen, Ziegen und Rindern, die erstmals vor 8300 bis 7600 Jahren auftauchen.

Klimaarchive im Tropfstein

Außer den Fischgräten künden auch Tropfsteine in Höhlen von der feuchten Vergangenheit der heutigen Sandwüsten. Die grüne Sahara dehnte sich im Osten auf die Arabische Halbinsel aus. Dort untersuchten Monika Markowska vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und Kolleg:innen Stalagmiten und Stalaktiten aus sieben Höhlen in Saudi-Arabien als Klimaarchive. Dabei fanden sie mehrere grüne Phasen, die sich über die letzten acht Millionen Jahre verteilten.4) Einige dieser Phasen haben vermutlich auch die Ausbreitung der Neandertaler und später moderner Menschen sowie auch diverser Tierarten nach Eurasien ermöglicht. Eine Feuchtzeit war zum Beispiel vor etwa zwei Millionen Jahren, was zu den frühesten Hominiden-Funden in Asien passt – sie erklären, wie sich frühere Hominiden-Populationen aus dem tropischen Afrika bis nach Asien ausbreiten konnten.

Die Forscher:innen bestimmten radiometrisch den Uranzerfall, um die Schichten der Kalkablagerungen zu datieren, und analysierten Isotope von Wasser- und Sauerstoff in eingeschlossenen Wassertröpfchen, um die geografische Herkunft des Regens festzustellen. Wie die Isotopenanalyse zeigte, war der Regen meist ein Monsunregen aus südlicheren Gebieten.

Der langfristige Trend über die letzten acht Millionen Jahre: Die Arabische Halbinsel wurde immer trockener, sodass die begrenzten feuchten Episoden immer wichtiger wurden, damit sich Menschen und Tiere zwischen Afrika und Asien ausbreiten konnten.

Ähnliche Untersuchungen an Stalagmiten in Höhlen im Süden Marokkos haben weitere Einzelheiten über die jüngste grüne Periode der Sahara geliefert. Hamish Couper von der Universität Oxford und Kolleg:innen untersuchten Sauerstoffisotope aus dem Calciumcarbonat der Stalagmiten, um zu ermitteln, wo das Regenwasser herkam, das diese Tropfsteine wachsen ließ.5) Normalerweise wird die grüne Sahara einer Nordwanderung der Monsunzone zugeschrieben, doch der Isotopenanalyse der Tropfsteine zufolge gab es auch noch dann ungewöhnlich viel Regen, nachdem sich der Monsunregen am Südhang des Atlasgebirges zurückgezogen hatte. Diesen Regen schreiben die Forscher:innen einem anderen Effekt zu: den atmosphärischen Flüssen, also relativ schmalen Luftströmungen mit hohem Wasserdampfgehalt. Der aus dem Atlasgebirge ablaufende Regen hat offenbar die Sahara noch länger in ihrem grünen Zustand bewahrt, als sich durch die Monsunverschiebung allein erklären ließe.

Das Kommen und Gehen der großen Wüsten auf unserem Planeten ist ein wichtiger Faktor in der Frühgeschichte der Menschheit. Ein tieferes Verständnis dieser Veränderungen hilft uns zudem, die nahe Zukunft besser zu verstehen, da auch die heutige Klimakatastrophe zur Austrocknung großer Gebiete führen kann. Derzeit ist zum Beispiel das Kaspische Meer akut von der weitgehenden Austrocknung bedroht, wie Rebecca Court von der Universität Leeds (Großbritannien) und Kolleg:innen warnen,6) und die umliegende Region könnte sich zu einer neuen Wüste entwickeln.

Der Autor

Der promovierte Chemiker Michael Groß arbeitet als freier Wissenschaftsjournalist in Oxford, England. michaelgross.co.uk

Michael Gross

www.michaelgross.co.uk

Quellen

  • 1 N. Salem, M. S. van de Loosdrecht, A. P. Sumer et al., Nature 2025, 641, 144–150
  • 2 M. Groß, Nachr. Chem. 2022, 70(12), 68–70
  • 3 W. Van Neer, F. Alhaique, W. Wouters et al., Plos ONE 2020, 15, e0228588
  • 4 M. Markowska, H. B. Vonhof, H. S. Groucutt et al., Nature 2025, 640, 954–961
  • 5 H. O. Couper, C. C. Day, J. J. Barrott et al., Earth Planet. Sci. 2025, 652, 119195
  • 6 R. Court, M. Lattuada, N. Shumeyko et al., Nat. Commun. Earth Environ. 2025, 6, 261

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht in den Nachrichten aus der Chemie (Nachr. Chem.), Heft 07/2025 (Herausgeber: Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V., Verleger: Wiley-VCH-Verlag GmbH Co KGaA, Weinheim) https://www.gdch.de/publikationen/nachrichten-aus-der-chemie.html

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