Kleine Helfer: Mikroorganismen produzieren Grundchemikalien aus Kohlendioxid

 

Die durch den Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen sind die Hauptursache des Klimawandels. Um den CO2-Gehalt in der Atmosphäre zu senken, muss einerseits der künftige Verbrauch fossiler Energien wie Erdöl, Erdgas oder Kohle gesenkt werden. Andererseits arbeiten Wissenschaftler:innen auch daran, bereits vorhandenes Kohlendioxid aus der Atmosphäre wieder zu entfernen bzw. als Rohstoff für neue Produkte zu nutzen.

Kohlendioxid – Hauptverursacher der Klimaerwärmung

Kohlenstoffdioxid (CO2) ist einer der Haupttreiber des Klimawandels – die CO2-Emissionen müssen daher sinken. Mittlerweile ist die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre auf über 415 Parts per Million (ppm) gestiegen – das entspricht 0,0415 % Atmosphärenanteil. Der Anstieg erfolgte vor allem seit der Industrialisierung und Globalisierung, denn um das Jahr 1800 lag der Wert noch bei 280 ppm. Anfang April 2022 stieg die CO2-Konzentration im globalen Mittel schon auf 417 ppm [1]. Trotz aller Bemühungen und Maßnahmen der Länder nimmt der Gehalt also weiter zu, selbst die coronabedingte Stagnation der Weltwirtschaft konnte nur kurzfristig eine Stabilisierung bewirken.

Der im März 2022 veröffentlichte dritte Teil des Weltklimaberichts des Weltklimarats IPCC [2] belegt, dass es schwierig werden wird, das Klimaziel von maximal 1,5 °C Temperaturanstieg noch zu erreichen. Schon ab 2025 müssten die weiter steigenden globalen Treibhausgas-Emissionen sinken, wenn schwerwiegendere Folgen vermieden werden sollen, warnt der IPCC [3]. Bei der Bekämpfung des Klimawandels könnten zukünftig auch gentechnisch veränderte Mikroorganismen und Bakterien eine wichtige Rolle spielen.

Kohlendioxid aus der Atmosphäre holen

Der IPCC-Bericht verdeutlicht, dass neben der drastischen Verringerung neu entstehender CO2-Emissionen weitere Bemühungen nötig sind, um die Klimaschutzziele zu erreichen, etwa das CO2 aus Abgasen und Luft nachträglich zu entfernen. Dazu gibt es Überlegungen, CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen und dauerhaft unterirdisch zu lagern. CO2 kann auch in der Natur „gespeichert“ werden – etwa in Bäumen und im Boden. Oder man nutzt den als CO2 ausgestoßenen Kohlenstoff erneut in der Herstellung von Produkten, zum Beispiel in der Chemie. 

Neu angepflanzte Bäume allein werden nicht ausreichen, um den CO2-Gehalt in der Atmosphäre zu reduzieren und Ideen, das CO2 durch technische Lösungen zu reduzieren gibt es einige, mal mehr oder weniger sinnvoll oder technisch umsetzbar. Eine Firma aus der Schweiz hat bereits einen funktionsfähigen Gassauger entwickelt, mit dem das Kohlendioxid aus der Atmosphäre herausgesaugt werden kann [4]. Doch dies ist letztlich nur ein Wegsperren des Gases. Richtig verschwunden ist es damit nicht. 

Daher sind Methoden hilfreich, das freigesetzte Kohlendioxid direkt als Rohstoff für verschiedene Produkte wie Kunststoffe oder Biokraftstoff nutzen und umsetzen. Da seit Januar 2021 die CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Kraftstoffe bepreist werden, müssen produzierende Unternehmen für ihre CO2-Emissionen zahlen. Viele Betriebe suchen daher nach neuen Wegen, diese Emissionen und damit ihre Kosten zu senken.

Kohlendioxid als Rohstoffquelle für Kunststoffe

Einen möglichen Weg zur CO2-Reduktion zeigen Forschende am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart auf: Sie nutzen Kohlendioxid als Rohstoff für Kunststoffe. Dazu stellen sie aus CO2 zunächst Methanol und Ameisensäure her, die sie dann mit Hilfe von Mikroorganismen zu Bausteinen für Polymere umwandeln.

„Wir nutzen das CO2 als Rohstoffquelle“, sagt Dr. Jonathan Fabarius, Themenfeldleiter für die Mikrobielle Katalyse am Fraunhofer IGB, in einer Pressemeldung des Fraunhofer Instituts [5]. „Dazu verfolgen wir zwei Ansätze: Erstens die heterogene chemische Katalyse, bei der wir das CO2 mit einem Katalysator zu Methanol umsetzen. Zweitens die Elektrochemie, mit der wir aus dem CO2 Ameisensäure produzieren.“ Die Besonderheit liegt bei diesem Forschungsprojekt nicht allein in der CO2-basierten Methanol- und Ameisensäureherstellung, sondern in der Kombination mit der Biotechnologie, und zwar mit Fermentationen durch Mikroorganismen. Methanol und Ameisensäure dienen gewissermaßen als „Futter“ für Mikroorganismen, die daraus weitere Produkte produzieren. Das können laut Fraunhofer organische Säuren sein, die als Bausteine für Polymerkunststoffe verwendet werden können. Vorstellbar sind aber auch Aminosäuren als Nahrungsergänzungs- oder Futtermittel.

Metabolic Engineering

Ein interessanter Vorteil der Methode: Während konventionelle chemische Prozesse viel Energie und teilweise giftige Lösungsmittel benötigen, lassen sich die Produkte mit Mikroorganismen als „Zellfabriken“ bei milderen und energieeffizienteren Bedingungen produzieren. Die Mikroben selber wachsen in umweltfreundlichen wässrigen Lösungen. Dieser multidisziplinäre Ansatz kombiniert Molekularbiologie, Chemieingenieurwesen und Biochemie.

„Im Prinzip nutzen wir den Stoffwechsel des Mikroorganismus‘, um die Produktherstellung zu steuern“, beschreibt Jonathan Fabarius. „Dafür bringen wir Gene in die Mikroben ein, die den Bauplan für bestimmte Enzyme liefern – man spricht dabei auch von Metabolic Engineering.“ Die Enzyme, die daraufhin im Mikroorganismus produziert werden, katalysieren wiederum die Herstellung eines bestimmten Produkts.

Das Fraunhofer-Forscherteam arbeitet im Projekt an der gesamten Herstellungskette: Angefangen bei den Mikroorganismen über die Genveränderungen bis hin zum Hochskalieren der Produktion. Einige Herstellungsprozesse befinden sich noch im Laborstadium, einige Produkte werden aber bereits in ersten Bioreaktoren mit einem Fassungsvermögen von zehn Litern hergestellt. Für eine industrielle Anwendung des Metabolic Engineering wird es noch etwas dauern, nach Schätzung der Forscher:innen könnte es in etwa zehn Jahren soweit sein.

Aceton klimafreundlich produzieren

Produktionstechnisch weiter ist eine amerikanische Firma, die mit gentechnisch veränderten Bakterien zwei wichtige chemische Grundstoffe für viele Produkte klimafreundlich herstellen kann: Aceton und Isopropanol (IPA). IPA wird z.B. als Desinfektionsmittel und Antiseptikum verwendet, Aceton ist ein vielseitig einsetzbares Lösungsmittel für viele Kunststoffe und synthetische Fasern, zum Verdünnen von Polyesterharz, zum Reinigen von Werkzeugen und zum Entfernen von Nagellack. Ein Forscherteam um Michael Jewett von der Northwestern University und Michael Köpke von der Firma LanzaTech stellten das Verfahren kürzlich im Fachmagazin Nature Biotechnology vor [6].

Die Forschergruppe produziert Aceton und IPA mithilfe von anaeroben Bakterien (Clostridium autoethanogenum) aus den Abgasen eines Stahlwerks in einer 150-Liter-Pilotanlage. Weil dadurch das CO2 nicht in die Atmosphäre gelangt, ist das Verfahren klimaneutral, im Gegensatz zu bisherigen energieaufwendigen Verfahren, bei denen die fossilen Brennstoffe Erdöl und Erdgas für die industrielle Herstellung der Chemikalien eingesetzt werden und dabei viel Kohlendioxid freisetzen. Dabei fallen pro hergestelltem Kilogramm Aceton 2,55 und bei IPA 1,85 Kilogramm CO₂-Emissionen an. Um diese Chemikalien nachhaltiger herzustellen, entwickelten die Forscher ein neues Gasfermentationsverfahren.

In Kilogramm CO2-Äquivalent pro Kilogramm Chemikalie gemessen, ergibt sich dabei für Aceton ein Wert von -1,78 und für Isopropanol von -1,17. Die Werte sind negativ, weil mehr Kohlendioxid eingebunden als ausgestoßen wird [7]. Das Forscherteam arbeitet daran, dass sich die entwickelten Bakterienstämme und der Fermentationsprozess in den industriellen Maßstab übertragen lassen. Der Ansatz könnte dann auch zur Herstellung anderer wertvoller Chemikalien verwendet werden.

Dr. Jörg Wetterau

Labor für Kommunikation, Linsengericht

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