Seife – Chemikalie der Steinzeit

 

Seit der Corona-Pandemie wissen alle, wie wichtig die gründliche Reinigung unserer Hände mit Wasser und Seife ist. Dabei ist Seife keineswegs ein neues Produkt. Schon vor über 6000 Jahren entdeckte man die reinigende Wirkung von Seife. Der ursprünglichen Seife gleichen die heutigen Seifen eher weniger – vielmehr sind sie „Waschstücke“.

Was ist Seife?

Seifen sind chemisch gesehen Natrium- bzw. Kalium-Salze von Fettsäuren. Sie gehören zu den waschaktiven Substanzen, auch Tenside genannt. Sie bestehen aus einer langen hydrophoben, also wasserabweisenden, aber lipophilen (fettliebenden) Kohlenstoffkette und einem hydrophilen (wasserliebenden) Kopf. Die Eigenschaft gleichzeitig lipophil und hydrophil zu sein, nennt sich amphiphil. 

Als Ausgangsprodukt von Seife werden pflanzliche Fette, zum Beispiel Kokosfett oder Olivenöl, verwendet. Chemisch sind Fette Verbindungen (der Fachbegriff lautet Ester) von Glycerin, einem dreiwertigen Alkohol mit drei langkettigen Carbonsäuren, den Fettsäuren. Bei der Seifenherstellung werden diese Fette mit einer Lauge erhitzt. Dabei entstehen Alkalisalze der Fettsäuren und Glycerin. Als Lauge verwendet man eine wässrige Lösung von entweder Natrium- oder Kaliumhydroxid (Natron- bzw. Kalilauge). Mit Natriumhydroxid erhält man feste, mit Kaliumhydroxid flüssige Seife.

Wie reinigt Seife?

Die Tenside setzen die Oberflächenspannung des Wassers herab. Vereinfacht dargestellt, können sie durch ihre gleichzeitig hydrophile und hydrophobe Natur Schmutz und Fett von der Oberfläche lösen, indem sich die hydrophoben Enden kugelförmig um ein hydrophobes Schmutzteilchen legen und sogenannte Micellen (lat. mica „Klümpchen“) bilden. Die hydrophilen (wasserlöslichen) Enden sind nach außen in das umgebende Wasser gerichtet. Die Schmutzteilchen werden also von den Tensiden umhüllt und können mit Wasser weggespült werden.
 

Es gibt verschiedene Sorten von Seifen, die wir für unterschiedliche Zwecke einsetzen. Zum Händewaschen verwenden wir flüssige oder feste Seife. Auch Shampoo und Duschgel zählen zu den Flüssigseifen. Für spezielle Anwendungen gibt es beispielsweise die Kernseife, die häufig zum Filzen eingesetzt wird, oder Gallseife, die Fett- und Eiweißflecken aus Textilien entfernt.
 

Geschichte der Seife geht weit zurück

4.500 v. Christus stellten die Sumerer erstmals eine Art Seife aus alkalischer Pflanzenasche und Öl her, die sie damals aber eher als Heilsalbe verwendeten. Auch die Ägypter übernahmen die Seifenrezeptur später und verfeinerten das Rezept. Neben der Körperreinigung diente Seife auch dazu, Wäsche zu waschen. In der Medizin glaubte man damals an die heilende Wirkung der Seife und behandelte damit Hautreizungen und -krankheiten. Allerdings lässt sich die vermeintliche heilende Wirkung eher darauf zurückführen, dass Seife die Haut reinigte. Denn einige Krankheiten waren damals auch der mangelnden Körperhygiene verschuldet. Die Germanen und Gallier nutzten Seife als Kosmetikum. Zum Beispiel bleichten sie ihre Haare damit oder frisierten sich mit einer Seifen-Pomade. Im 7. Jahrhundert entwickelten arabische Stämme die Seifenherstellung weiter: Sie verwendeten gebrannten Kalk, um damit besonders feste Seifen herzustellen. Zudem erhitzen und verrührten das Öl in Kalium- oder Natronhydroxid so lange, bis der größte Teil des Wassers verdunstet war und sich die ölige Masse verfestigte – so entstand das erste Seifenstück.

Europäische Seifensieder stellten im Mittelalter parfümierte Luxusseifen her – die allerdings waren zunächst dem Adel vorbehalten. Pest und Syphilis erstickten die aufkommende Badekultur. In der Folge verzichtete man im 16. und 17. Jahrhundert auf Seife und bevorzugte Puder und Co. zur Körperpflege. Erst im 18. Jahrhundert entdeckte man Seife und Wasser wieder, um den Körper zu reinigen.

Die hohe Nachfrage nach Seife zu Beginn des 19. Jahrhunderts deckte man dann mit der industriellen Produktion. Diese nutzte das nun synthetisch hergestellte Natriumcarbonat und Natriumhydroxid. Seifen für den Körper enthielten hochwertige Öle, für die Wäsche und zum Scheuern günstiges Hanf- und Leinöl.
 

Reinigend, aber schädlich?

Heute ist für uns kaum vorstellbar, dass Seife einmal ein Luxusprodukt war. Inzwischen entspricht die Seife, die wir benutzen, längst nicht mehr der ursprünglichen Seife. Die alkalischen Stoffe, die eine richtige Seife enthält, haben einen basischen pH-Wert, der im Vergleich zum pH-Wert unserer Haut sehr hoch ist. Unsere Haut besitzt idealerweise einen pH-Wert zwischen 4,7 und 5,75 – also im leicht sauren Bereich (pH-Wert 7 gilt als neutral). Damit reinigt Seife unsere Hände nicht nur, sondern kann ihnen auch schaden – sie entzieht der Haut Fett. Infolgedessen trocknet sie aus. Heute waschen wir unsere Hände meist mit festen und flüssigen Stoffen, die nur einen geringen Anteil an eigentlicher Seife enthalten. Synthetische waschaktive Substanzen ersetzen diese vielmehr und viele zusätzliche Stoffe ergänzen die heutigen Seifen. Zum Beispiel fügen Hersteller Parfüm, Schutzstoffe für die Haut wie Kamille oder Desinfektionsmittel hinzu. Auch „Seifen“ mit neutralem oder leicht saurem pH-Wert gibt es, um empfindliche Haut zu schützen. Diese enthalten keinerlei Seifenanteile mehr. Eigentlich müssten wir die „Seife“ vielmehr als „Waschstück“ oder „Waschlotion“ bezeichnen. Eines ist aber sicher: Wie schon in der Antike entfernen diese Stoffe auch heute Schmutz und krankmachende Erreger von unseren Händen, wenn wir sie waschen.

Titelbild: © Alexander Raths/stock.adobe.com

Lisa Süssmuth

Volontärin, Gesellschaft Deutscher Chemiker

Dieser Beitrag wurde auf FaszinationChemie erstmalig veröffentlicht am 06.08.2020.

Kommentare

  • Götz
    am 22.04.2020
    Toller Beitrag - gut zusammengefasst!
    • Lisa Süssmuth
      am 22.04.2020
      Vielen Dank für das Feedback!
  • Prof. Dr. Klaus-Peter Jaeckel
    am 07.05.2020
    Sehr schöner, leicht verständlicher Übersichtsartikel.

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