Versprechen der Zukunft: Quantencomputer

 

In diesem Jahr feiern wir 100 Jahre Quantenwissenschaften. Viele Bereiche des Lebens berührt die Quantenphysik bereits heute. Bei einer Entwicklung jedoch – den Quantencomputern – lässt der ganz große Durchbruch noch auf sich warten.

Noch um die Mitte und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren die meisten Naturwissenschaftler und Naturwissenschaftlerinnen der Meinung, dass die klassische Physik alle bis dato bekannten Probleme zu erklären vermag. Doch dem war nicht so. Es mehrten sich ungelöste und nicht erklärbare physikalische Phänomene, wie zum Beispiel das Problem des sogenannten Schwarzen Strahlers oder die Interpretation des Rutherford`schen Streuversuchs, benannt nach dem neuseeländischen Physiker Ernest Rutherford.

Immer öfter sprachen namhafte Forschende von kleinen Energiepaketen, den Quanten, mit deren Hilfe sie ganz neue Gesetzmäßigkeiten postulierten und die bekannten Bereiche der klassischen Physik hinter sich ließen. Im Jahr 1900 verwendete Max Planck den Begriff der Quanten erstmals in seinem Strahlungsgesetz. Die revolutionäre Neuheit darin war: Erstmals konnte die Energie nicht beliebig viele Werte annehmen, sondern nur in Form von kleinsten Energiepaketen auftreten. 

Diese absolut neue Annahme wuchs sich in den folgenden zwei Jahrzehnten zu einem Beben innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft in Europa aus und die Quantentheorie trug immer mehr dazu bei, die Welt der kleinsten Teilchen zu erklären. Man gewann eine detailliertere Vorstellung vom Aufbau der Materie. 

Lernen alle Chemie- und Physikstudierenden: Das Bohr’sche Atommodell

Das Bohr`sche Atommodell lieferte eine Erklärung dafür, warum die negativ geladenen Elektronen nicht in den positiv geladenen Kern stürzten. Man konnte nun auch die Spektrallinien von Wasserstoff und positiv geladenem Helium verstehen. Für seine Arbeit erhielt Niels Bohr 1922 den Nobelpreis für Physik. Einige weitere wurden in den kommenden Jahren auch an andere Quantenforscher verliehen. 

Matrizen, Operatoren und Wellenfunktionen

1925 entwickelten Werner Heisenberg, Max Born und Pascual Jordan eine allgemeine Formulierung der Quantenmechanik mit Matrizen. Dies war ungewöhnlich für diese Zeit, denn das Konzept der Matrizen wurde damals selten verwendet. 

Fast zeitgleich stellte Paul Dirac eine ähnliche Formulierung mit Operatoren auf und Erwin Schrödinger entwickelte eine Wellengleichung. Diese fußten nicht wie die Matrizen und Operatoren auf Heisenbergs Arbeiten, sondern nutzen die von Louis-Victor de Broglie postulierten Materiewellen. Diese hatte de Broglie kurz davor im Rahmen seiner Doktorarbeit publiziert. Noch heute ist die Theorie als Welle-Teilchen-Dualismus bekannt. Dieser Welle-Teilchen-Dualismus besagt vereinfacht, dass Objekte der Quantenwelt gleichermaßen die Eigenschaften von Wellen wie auch von Teilchen haben. Einen weiteren Meilenstein der Quantenmechanik lieferte Wolfgang Pauli ebenfalls 1925 mit seinem Ausschlussprinzip. Es besagt, dass sich die Elektronen in einem Atom mindestens in einer Quantenzahl unterscheiden müssen. 

Auch Schrödingers Wellengleichung stammt aus dem Jahr 1925, genau wie die Hund`sche Regel, die der Physiker Friedrich Hund aufgestellt hat. So liegt es nahe, dass wir die bedeutenden Entwicklungen aus dem 1920er-Jahren nun genau hundert Jahre später feiern. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2025 zum Internationalen Jahr der Quantenwissenschaft und -technologie erklärt.

Max Born übrigens hatte eine Doktorandin, die später genauso berühmt werden sollte wie er: Maria Goeppert-Mayer erhielt im Jahr 1963 für die Entwicklung des Schalenmodells der Atomkerne den Nobelpreis für Physik.

Quanten überall

Viele der Technologien, die wir heute nutzen, sind ohne die Gesetze der Quantenphysik nicht denkbar. Sie erklärt die Funktionsweise von Halbleitern, mit ihrer Hilfe bauen wir Solarzellen und Laser und wir nutzen sie bei der Magnetresonanztomographie (MRT), die bei medizinischen Untersuchungen einen Einblick in den menschlichen Körper erlaubt.

Seit vielen Jahren geistern auch immer wieder Berichte über sogenannte Quantencomputer durch die Medien. Sie sollen schneller rechnen als die besten herkömmlichen Computer und sich bislang ungelösten Problemen annehmen können. Datenschützer warnen allerdings, Passwörter und Verschlüsselungscodes könnten mit ihnen im Nu geknackt werden. Tech-Giganten hingegen versprechen, Quantencomputer könnten bei der Entwicklung neuer Medikamente helfen. Dazu sollen kombinatorische Fragestellungen und Simulationen schneller und effizienter gelöst werden als mit „normalen“ Computern.

Null oder Eins? Oder beides?

Tatsächlich ist die Idee von Quantencomputern schon einige Jahrzehnte alt. Bei herkömmlichen Rechnern nutzt man die Gesetze der klassischen Physik, um unterschiedliche Zustände zu erzeugen. Transistoren schalten elektrische Ströme an oder aus. So wird die binäre Information 0 oder 1 erzeugt. Die beiden Zustände stehen dann für ein Bit, die kleinste Informationseinheit. Eine Abfolge von mehreren Bits ergeben dann Zahlen oder Buchstaben. 

Auch in Quantencomputern nutzt man kleine Systeme, die unterschiedliche Zustände annehmen können. Im Vergleich zu den klassischen Bits existieren hier aber nicht nur die zwei Zustände 0 oder 1, sondern auch Zustände dazwischen. Gemäß einer „Superposition“ können sich diese Zustände auch überlagern. Erst eine Messung würde das System zwingen, sich auf einen Zustand festzulegen. Ein solches System, das sich durch die Überlagerung (Superposition) von zwei Zuständen auszeichnet, wird als Quantenbit (Qubit) bezeichnet.

Weltberühmt in der Physik und Chemie: Schrödingers Katze

Die Superposition ist eine sehr bekannte Quanteneigenschaft, die durch das Gedankenexperiment „Schrödingers Katze“, benannt nach dem Physiker Erwin Schrödinger, bekannt wurde: Die Katze sitzt in einer geschlossenen Kiste, die Zustände 0 und 1 entsprechen den Zuständen tot und lebendig. Solange sich die Katze in der Kiste befindet, sind alle Zustände möglich und überlagern sich. Erst wenn man die Kiste öffnet und nachsieht, also quasi eine Messung vornimmt, nimmt die Katze den endgültigen Zustand tot oder lebendig ein. Zwar ist eine Katze viel zu groß, als dass die Gesetze der Quantenmechanik für sie gelten würden, aber das Gedankenexperiment erklärt anschaulich, was es mit der Superposition auf sich hat. Die beiden folgenden Videos erklären in drei bzw. 11 Minuten das Gedankenexperiment zu Schrödingers Katze.

Spukhaft und dennoch real

Neben der Überlagerung von Zuständen spielt bei den Quantencomputern noch eine weitere Eigenschaft eine Rolle: die Verschränkung. Sind Qubits verschränkt, sind sie auf besondere Art miteinander verbunden. Nimmt man an einer Stelle eine Änderung vor, kann das bei verschränkten Teilchen eine Änderung an einer ganz anderen Stelle bewirken, auch wenn die Teilchen weit voneinander entfernt sind. Albert Einstein nannte das Phänomen „spukhafte Fernwirkung“. Über viele Jahre lieferten sich Forschende Debatten darüber, ob es die nicht-lokale Korrelation tatsächlich gibt. In den 1970er- und 1980er-Jahren erbrachten John Bell und Alain Aspect jedoch die zentralen Beweise für das Phänomen. 

Einsteins Begriff „spukhaft“ hält sich trotzdem hartnäckig und so gibt es zahlreiche selbsternannte „Quantenheiler“, die von sich behaupten, sie könnten sich in magischer Weise mit Erkrankten verbinden und diese über eine Fernwirkung heilen. Zwei grundlegende Prinzipien machen dies jedoch leider unmöglich: Zum einen ist die Verschränkung ein Quantenphänomen und ein Lebewesen kein Quant. Zum anderen kann eine solche Fernwirkung nur stattfinden, wenn die beteiligten Quanten absolut störungsfrei sind. Es darf kein Austausch mit der Umgebung stattfinden. Das heißt weder Energieaustausch über Strahlung oder Temperatur noch Erschütterung oder ähnliche Einflussfaktoren.

Parallel anstatt nacheinander

In Quantencomputern nutzt man Superposition und Verschränkung, um schnelle Rechenergebnisse zu erzielen und die Rechenleistung zu erhöhen. Rechenoperationen müssen nicht mehr nacheinander durchgeführt werden, sondern können parallel ablaufen. Dabei tritt jeder Quantenzustand mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auf, die man auch als Amplitude einer Wellen-Funktion beschreiben kann. Nach den Gesetzen der Quantenmechanik entspricht das Quadrat der Wahrscheinlichkeit beziehungsweise das Quadrat der Amplitude dem Wert für eine Lösung. Durch gezieltes Manipulieren kann man es erreichen, dass der wahre Wert der Lösung auch der wahrscheinlichste ist. 

Störungen von außen können allerdings die gewollten Manipulationen verfälschen und so kann es sein, dass das System eine Lösung präsentiert, die gar nicht die wahre Lösung ist. Auch bei geringer Erfolgschance, die wahre Lösung auf Anhieb zu finden, kann man es doch erreichen, wenn man die Rechenschritte oft wiederholt. 

In Quantencomputern versucht man äußere Störungen zu minimieren, indem man sie stark herunterkühlt und von der Umwelt isoliert. Man schafft also erst ein kohärentes System, in dem möglichst viele Qubits miteinander verschränkt sind. Je mehr Qubits miteinander in Verbindung stehen, desto mehr Rechenschritte können parallel ablaufen. Dabei wächst die Anzahl exponentiell. Für zwei Qubits sind es vier Rechenschritte, für 10 schon über Tausend. 

Ein langer Weg

Weltweit gibt es schon etwa hundert Quantencomputer, die stehen allerdings hauptsächlich in Forschungszentren oder in Unternehmen, die sie weiterentwickeln und verbessern. Zwar werden seit Jahren Erwartungen geweckt, und Prognosen gegeben, was Quantencomputer alles können werden, doch in der Realität wurde erst vor wenigen Jahren überhaupt erst der erste Quantencomputer vorgestellt, der besser war als ein herkömmlicher Computer. Diese „Quantenüberlegenheit“ feierte Google im Jahr 2019. 

Ricardo Mata, Professor für Theoretische Chemie an der Georg-August-Universität Göttingen und Vorsitzender der GDCh-Fachgruppe Computer in der Chemie, erklärt das Problem so: „Es ist eine Frage der Skalierbarkeit. Wenn ich einen normalen Computer mit nur einem Dutzend Bits zur Verfügung habe, wird er mir nicht viel nützen. Um einen funktionierenden Quantencomputer zu haben, braucht man eine große Anzahl von Qubits, die zusammenarbeiten. Und diese Skalierung ist extrem schwierig.“

Bis Quantencomputer also wirklich von allgemeinem praktischem Nutzen sein werden, wird noch einige Zeit vergehen. Davon seien wir so weit entfernt, dass niemand genau sagen könne, wie lange es dauern wird, sagt Mata. Für konkrete Anwendungen lässt sich das etwas besser einschätzen. Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik geht davon aus, dass es noch etwa fünfzehn Jahre dauern wird, bis ein Quantencomputer, der Krypto Codes knacken kann, entwickelt ist. 

Qubits: Supraleiter, Ionenfallen oder Moleküle?

Derzeit gibt es aber noch einige Probleme zu lösen, denn die heutigen Systeme sind noch fehleranfällig. Störungen führen dazu, dass die Quantenkohärenz verloren geht, was Fehler in den Berechnungen verursacht. Aktuell gelten supraleitende metallische Materialien als vielversprechende Kandidaten für Qubits. Bei sehr geringer Temperatur nahe am absoluten Nullpunkt können sie stabil in Quantenzuständen verharren. 

Aber es gibt auch andere Ansätze, wie die sogenannten „Ionen-Fallen“. Hier werden geladene Teilchen in elektromagnetischen Feldern wie in Fallen gehalten und mit Lasern manipuliert. Ionen-Fallen sind sehr stabil und haben lange Kohärenzzeiten. 

Auch neutrale Atome oder gar Moleküle können als Qubits fungieren. Darüber hinaus gibt es Ansätze mit Photonen oder mit Quasiteilchen zu arbeiten. Letzteres wird in sogenannten topologischen Qubits angewandt. Sie werden als besonders vielversprechend angesehen, da sie im Vergleich zu anderen Qubit-Typen robuster gegen Fehler und Dekohärenz sein könnten. „Microsoft zum Beispiel setzt auf diesen Ansatz. Das Unternehmen sorgte vor kurzem für viel Aufsehen, als es verkündete, es habe erfolgreich topologische Qubits erhalten und gemessen. Zu dieser Entwicklung gibt es noch viele offene Fragen”, sagt Ricardo Mata. 

Wie der weitere Weg der Entwicklung der Quantencomputer verlaufen wird, ist nicht wirklich vorhersehbar. Viele Unternehmen und Forschungsgruppen weltweit beschäftigen sich mit Weiterentwicklung und Problemlösungen. Für Experten und Expertinnen ist jedoch klar, dass Quantencomputer die Welt in anderer Art und Weise verändern werden als es die klassischen Computer vor etwa sechzig Jahren taten.

Es werden keine Allzweck-Rechenmaschinen werden. „Wenn wir uns die Entwicklungen der letzten Jahre zu Herzen nehmen, scheint der Weg nach vorne die Spezialisierung zu sein. Kein allgemeiner Quantencomputer, wie ihn sich viele vorstellen, sondern eine Co-Prozessor-Einheit, die für bestimmte Aufgaben eingesetzt werden kann“, sagt Mata.

Der Hype um Quantencomputing wird oft und vor Allem von den Unternehmen selbst immer wieder neu entfacht. Der große Durchbruch lässt dann aber doch noch auf sich warten. Trotzdem ist absehbar, dass die Chemie maßgeblich von der Technologie profitieren kann. Komplexe Reaktionen ließen sich simulieren, Struktur-Wirkungs-Beziehungen und andere Materialeigenschaften könnten zuverlässiger vorhergesagt und Prozesse effizienter optimiert werden. Und so warten wir weiter, bis es so weit ist, dass Moleküle Moleküle berechnen.

Dr. Carolin Sage

Consider Science

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